Gehalt, Kündigung, Abmahnung: Wann juristische Hilfe nötig ist
- Ein Arbeitsverhältnis verläuft nicht immer reibungslos. Manchmal kommt das Gehalt verspätet oder unvollständig, eine Kündigung trifft unerwartet ein oder eine Abmahnung sorgt für Ärger. Doch nicht jede Maßnahme des Arbeitgebers ist rechtlich zulässig. Arbeitnehmer haben oft mehr Rechte, als sie denken – doch diese durchzusetzen, ist ohne Fachwissen schwierig.
In welchen Fällen lohnt sich der Gang zu einem Experten? Wann ist es ratsam, aktiv zu werden? Und wie kann man sich im Vorfeld absichern? Dieser Beitrag liefert fundierte Antworten.
Gehalt: Wann sich rechtlicher Beistand lohnt
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf pünktliche und vollständige Gehaltszahlungen. Doch in der Praxis gibt es immer wieder Probleme:
- Das Gehalt kommt verspätet – Besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten zögern Arbeitgeber Zahlungen hinaus.
- Unberechtigte Kürzungen – Boni oder Zuschläge werden gestrichen, obwohl sie vertraglich vereinbart waren.
- Überstunden bleiben unbezahlt – Viele Firmen versuchen, Mehrarbeit stillschweigend vorauszusetzen.
Was tun, wenn das Gehalt ausbleibt?
Laut § 614 BGB muss das Gehalt zum vereinbarten Termin gezahlt werden. Bleibt die Zahlung aus, gibt es klare Handlungsoptionen:
- Freundlich nachhaken – Eine schriftliche Nachfrage kann helfen, Missverständnisse auszuräumen.
- Schriftliche Zahlungsaufforderung stellen – Mit einer Frist von 7–14 Tagen.
- Verzugszinsen fordern – Nach § 288 BGB können Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz geltend gemacht werden.
- Arbeitsgericht einschalten – Wenn der Arbeitgeber nicht reagiert, bleibt oft nur die Lohnklage.
Wichtig: Wer drei Monate keinen Lohn erhält, kann seine Arbeit niederlegen, ohne den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren.
Kündigung: Welche Rechte Arbeitnehmer haben
Plötzliche Kündigungen sind für viele Beschäftigte ein Schock. Doch nicht jede Kündigung ist wirksam. Das Kündigungsschutzgesetz bietet in vielen Fällen Schutz.
Welche Kündigungsarten gibt es?
- Betriebsbedingte Kündigung – Unternehmen reduzieren Stellen wegen wirtschaftlicher Engpässe.
- Personenbedingte Kündigung – Gründe sind langfristige Krankheit oder fehlende Qualifikationen.
- Verhaltensbedingte Kündigung – Bei Pflichtverletzungen, wie Diebstahl oder Arbeitsverweigerung.
Nicht jede Kündigung ist gültig! Viele Arbeitgeber kündigen vorschnell, ohne die rechtlichen Hürden zu beachten.
Wann eine Kündigung angefochten werden kann
- Fehlende oder unzureichende Begründung
- Verstöße gegen Kündigungsfristen
- Keine vorherige Abmahnung (bei verhaltensbedingten Kündigungen)
- Sonderkündigungsschutz (Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte)
In solchen Fällen kann ein erfahrener Anwalt für Arbeitsrecht schnell prüfen, ob die Kündigung rechtmäßig ist und welche Schritte sinnvoll sind.
Tipp: Innerhalb von drei Wochen kann eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden. Danach ist eine Kündigung meist unwiderruflich.
Abmahnung: Nicht jede Warnung ist zulässig
Eine Abmahnung ist oft ein erster Schritt zur Kündigung. Doch sie muss bestimmten Anforderungen genügen.
Typische Abmahnungsgründe:
- Häufige Unpünktlichkeit
- Verstöße gegen betriebliche Vorschriften
- Unangemessenes Verhalten gegenüber Kollegen
Fehlerhafte Abmahnungen entstehen durch:
- Fehlende Konkretisierung – „Unzuverlässigkeit“ ist zu vage.
- Keine vorherige Verwarnung – Eine Abmahnung muss eine Warnfunktion haben.
- Unverhältnismäßigkeit – Ein einmaliger Verstoß rechtfertigt oft keine Abmahnung.
Wie reagieren?
- Schriftlich Widerspruch einlegen und Klarstellung fordern.
- Um Entfernung aus der Personalakte bitten, falls die Abmahnung unberechtigt ist.
- Rechtliche Prüfung einholen, falls eine Kündigung droht.
Gut zu wissen: Eine einzelne Abmahnung reicht in der Regel nicht für eine Kündigung. Erst bei mehrfachen, gleichartigen Verstößen kann sie als Begründung dienen.
Arbeitszeugnis: Recht auf eine faire Bewertung
Ein Arbeitszeugnis ist oft entscheidend für den nächsten Job. Doch nicht alle Zeugnisse sind wohlwollend formuliert. Arbeitgeber nutzen verschlüsselte Formulierungen, um negative Bewertungen geschickt zu verstecken.
Zeugnissprache entschlüsselt
- „Er war stets bemüht“ → Bedeutet: Bemühungen waren da, Erfolg aber nicht.
- „Sie zeigte Verständnis für die Anforderungen“ → Heißt: Sie erfüllte sie nicht.
- „Er hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten eingesetzt“ → Er war überfordert.
Mobbing am Arbeitsplatz: Wann Handeln nötig ist
Mobbing am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit. Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin haben 15 % der Arbeitnehmer bereits Mobbing erlebt.
Typische Mobbinghandlungen:
- Ignorieren oder Ausgrenzen
- Beleidigungen oder Verleumdungen
- Überhäufung mit sinnlosen Aufgaben
- Psychischer Druck durch Vorgesetzte
Wichtig: Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht und müssen gegen Mobbing aktiv werden. Falls sie untätig bleiben, kann eine Beschwerde nach § 84 BetrVG oder eine Klage auf Schmerzensgeld folgen.
Wann ist professionelle Unterstützung sinnvoll?
Nicht jeder Konflikt muss vor Gericht landen. Doch in einigen Fällen ist ein Rechtsbeistand ratsam:
- Kündigung erhalten? → Sofort rechtliche Schritte prüfen.
- Lohn nicht gezahlt? → Lohnklage erwägen.
- Arbeitszeugnis schlecht? → Anspruch auf Korrektur geltend machen.
- Abmahnung unberechtigt? → Schriftlich widersprechen.
- Mobbing oder Diskriminierung? → Beratung einholen.
Gute Nachricht: Viele Fachanwälte bieten eine erste Beratung kostenlos an.
Aktuelle Zahlen: Arbeitsrechtliche Streitfälle in Deutschland
Arbeitsgerichtliche Klagen (2023):
- 45 % Kündigungsschutzklagen
- 30 % Gehaltsstreitigkeiten
- 15 % Abmahnungen
- 10 % Arbeitszeugnisse & Diskriminierung
Die Zahlen zeigen: Viele Arbeitnehmer kämpfen für ihre Rechte.
„Viele Arbeitnehmer unterschätzen ihre Rechte“ – Ein Interview mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind keine Seltenheit – doch viele Betroffene wissen nicht, wie sie sich wehren können. Wir haben mit Dr. Markus Reinhardt, einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht, gesprochen. Im Interview erklärt er, welche Fehler Arbeitnehmer vermeiden sollten und wann es sich lohnt, juristische Schritte einzuleiten.
Herr Dr. Reinhardt, wann kommen die meisten Mandanten zu Ihnen?
Dr. Reinhardt:
„In den meisten Fällen geht es um Kündigungen oder Gehaltsstreitigkeiten. Viele Mandanten sind unsicher, ob eine Kündigung rechtens ist, oder sie haben Probleme mit nicht gezahlten Löhnen und Überstunden. Auch Abmahnungen sind ein häufiges Thema – viele wissen nicht, dass sie nicht jede Abmahnung einfach hinnehmen müssen.“
Was sind die häufigsten Fehler, die Arbeitnehmer machen?
Dr. Reinhardt:
„Der größte Fehler ist es, zu lange zu warten. Viele denken, dass sie eine Kündigung oder eine Abmahnung erst einmal hinnehmen müssen. Doch gerade bei einer Kündigung gilt: Nach drei Wochen ist die Frist für eine Kündigungsschutzklage abgelaufen. Danach kann man meist nichts mehr tun.
Ein weiterer Fehler ist, dass viele Arbeitnehmer nichts schriftlich festhalten. Ob es um unbezahlte Überstunden oder mündliche Absprachen über eine Gehaltserhöhung geht – ohne schriftliche Beweise ist es später schwierig, Ansprüche durchzusetzen.“
Wie erkennen Arbeitnehmer, ob eine Kündigung angreifbar ist?
Dr. Reinhardt:
„Eine Kündigung ist oft angreifbar, wenn sie nicht ausreichend begründet wurde oder wenn formale Fehler vorliegen. Beispiele sind:
- Keine vorherige Abmahnung bei verhaltensbedingten Kündigungen
- Fehlende Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
- Kündigung per E-Mail oder mündlich – diese ist unwirksam
- Sonderkündigungsschutz für Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsräte
Viele Kündigungen sind nicht sauber begründet, und eine Kündigungsschutzklage kann eine hohe Abfindung oder sogar die Wiedereinstellung bringen.“
Lohnt sich eine Kündigungsschutzklage immer?
Dr. Reinhardt:
„Nicht immer, aber in sehr vielen Fällen. Laut einer Statistik des Bundesarbeitsgerichts enden rund 50 % der Kündigungsschutzklagen mit einem Vergleich, das heißt, der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung.
Eine Klage ist besonders sinnvoll, wenn man längere Zeit im Unternehmen war oder wenn man eine hohe Abfindung aushandeln möchte. Wer sich früh beraten lässt, hat die besten Chancen.“
Wie sollten Arbeitnehmer bei Gehaltsstreitigkeiten vorgehen?
Dr. Reinhardt:
„Zunächst sollte man das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen – oft gibt es eine einfache Erklärung. Falls das nicht hilft, sollte man eine schriftliche Zahlungsaufforderung mit Frist setzen.
Bleibt die Zahlung aus, ist der nächste Schritt eine Lohnklage. Die meisten Arbeitgeber zahlen spätestens dann, da sie Verzugszinsen und Gerichtskosten vermeiden wollen.“
Was raten Sie Arbeitnehmern, die eine Abmahnung erhalten haben?
Dr. Reinhardt:
„Erst einmal nicht in Panik geraten. Eine Abmahnung ist noch keine Kündigung, aber sie kann als Vorstufe dazu genutzt werden. Wichtig ist:
- Die Abmahnung genau prüfen – ist der Vorwurf konkret genug?
- Schriftlich widersprechen, wenn sie ungerechtfertigt ist.
- Falls nötig, Löschung aus der Personalakte fordern.
Manchmal nutzen Arbeitgeber Abmahnungen, um eine spätere Kündigung vorzubereiten. Daher sollte man sich früh beraten lassen.“
Gibt es ein arbeitsrechtliches Problem, das oft unterschätzt wird?
Dr. Reinhardt:
„Ja – das Arbeitszeugnis. Viele Arbeitnehmer nehmen ihr Zeugnis nicht genau unter die Lupe, dabei enthält es oft versteckte negative Bewertungen.
Beispiele:
➡ „Er zeigte Engagement im Rahmen seiner Möglichkeiten“ – heißt: Er war überfordert.
➡ „Sie bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden“ – bedeutet: Sie hat sie nicht erfüllt.
Wer Zweifel hat, sollte eine Zeugnisprüfung in Anspruch nehmen. Falls das Zeugnis unzulässig negativ ist, kann man eine Berichtigung verlangen oder sogar klagen.“
Ihr wichtigster Tipp für Arbeitnehmer?
Dr. Reinhardt:
„Kennt eure Rechte und handelt schnell! Viele glauben, dass sie im Konfliktfall nichts tun können, doch oft gibt es rechtliche Möglichkeiten, sich zu wehren. Wer eine Kündigung erhält, eine Abmahnung bekommt oder Lohnstreitigkeiten hat, sollte nicht abwarten, sondern sich beraten lassen.
Ein Erstgespräch mit einem Fachanwalt ist oft kostenlos oder kostet nur wenig – aber es kann eine Menge Geld und Nerven sparen.“
Die wichtigsten Punkte im Überblick
- Kündigung? – Schnell handeln, denn nach 3 Wochen ist eine Klage nicht mehr möglich!
- Gehalt nicht gezahlt? – Erst schriftlich mahnen, dann klagen.
- Abmahnung erhalten? – Prüfen, ob sie berechtigt ist, und schriftlich widersprechen.
- Arbeitszeugnis unklar? – Geheimsprache überprüfen und bei negativen Formulierungen eine Korrektur verlangen.
Tipp: Viele arbeitsrechtliche Streitigkeiten lassen sich gewinnen – aber nur, wenn man rechtzeitig aktiv wird!
Warum schnelles Handeln wichtig ist
Ob Gehaltsstreit, Kündigung oder Mobbing – wer seine Rechte kennt, kann sich effektiv wehren. Wichtige Fristen, wie die drei Wochen für eine Kündigungsschutzklage, dürfen nicht verpasst werden. Studien zeigen, dass viele Klagen erfolgreich sind und sich Arbeitnehmer oft eine Abfindung oder Lohnnachzahlung sichern können.
Tipp: Wer unsicher ist, sollte sich frühzeitig beraten lassen. Eine schnelle Reaktion kann finanzielle Nachteile verhindern und für Gerechtigkeit sorgen.
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